Vom Selbstverständnis der Naturwissenschaften

Längst ist die Zeit vorbei, in der man noch zwischen den verstehenden Geistes- auf der einen Seite und den nomothetischen Naturwissenschaften auf der anderen Seite unterscheiden und mit C. P. Snow von den zwei Kulturen des Wissens sprechen konnte. Wissensfelder wie Kognitionsforschung, Neurophysiologie und Sozialbiologie, Genetik, Nanotechnologie oder Umweltforschung lassen sich angemessen nur im interdisziplinären Kontext, also im Verbund mit Sozial- und Humanwissenschaften betreiben. Auf diese Weise entstehen neuartige, komplexe Wissenscluster, die das holistische Selbstverständnis der Geisteswissenschaften des 19. und 20. Jhds. zunehmend aufweichen.

Dieser Strukturwandel der Naturwissenschaften erfordert eine größere Komplexität der technischen Umsetzung ihrer Ergebnisse. Dringender denn je erscheint daher eine von allen Beteiligten zu führende offene und kritische Reflexion nicht allein der Forschungsresultate und ihrer Umsetzung, sondern bereits der Forschungsstrategien. Sobald das Selbstverständnis der Gesellschaft und ihrer Mitglieder ins Spiel gebracht wird, können sich Naturwissenschaftler nicht länger auf die Autorität ihrer Expertise zurückziehen, sondern müssen sich gesellschaftlich verantworten.

In der Reihe Vom Selbstverständnis der Naturwissenschaften erhalten daher vorzugsweise hochkarätigen Forscher Gelegenheit, ihre neuesten Forschungsergebnisse einem Publikum aus allen Fachgebieten zu präsentieren, die in der Lage sind, über die engen Grenzen ihrer Disziplin hinaus die möglichen Folgen ihrer wissenschaftlichen Vorhaben zu reflektieren und zur Diskussion zu stellen.