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Die Farm-Hall-Protokolle und die Furcht der Alliierten vor der deutschen Atombombe


Vortrag
Donnerstag, 4.5.2023, 19:00h

Dieter Hoffmann

Professor i.R., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin

Die Farm-Hall-Protokolle und die Furcht der Alliierten vor der deutschen Atombombe

Gesprächsleitung: Ulf von Rauchhaupt, Frankfurt am Main

Präsenzveranstaltung im Einstein Forum
Auch im Live-Stream via Zoom (hier registrieren)
 
„Es waren zehn Forscher in Farm Hall,
Die galten für fürchterlich harmvoll.
Beim Jüngsten Gericht
Erschienen sie nicht, denn sie saßen noch immer in Farm Hall.“

Diesen Limerick verfasste im Herbst 1945 Carl Friedrich von Weizsäcker – eben auf jenem Landsitz Farm Hall in der englischen Grafschaft Cambridgeshire, wo nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zehn deutsche Atomforscher für sechs Monate als „Guest of his Majesty“ interniert und systematisch abgehört worden waren. Mit dieser Geheimdienstoperation wollte man erfahren, ob die Angst der Alliierten vor einer deutschen Atombombe berechtigt und wie „harmful“ die deutschen Forschungen auf diesem Gebiet wirklich gewesen waren; auch hoffte man, von deutschem Spezialwissen profitieren und es für die Entwicklung der eigenen Atombombe nutzen zu können. Allerdings wurde sehr schnell deutlich, dass man in Deutschland weit vom Bau einer Atombombe entfernt und selbst bei der Entwicklung einer Uranmaschine bzw. eines Reaktors gescheitert war. Die Abhörprotokolle sind aber nicht nur ein Dokument dieses Scheiterns, sondern zudem ein beeindruckendes Zeitdokument über das Leben, die Motive und die Moral von Wissenschaftlern im Dritten Reich wie von technokratischen Eliten überhaupt; zugleich geben sie wichtige Aufschlüsse über die bis heute nachwirkende Mythenbildung zur deutschen Atombombe.

Dieter Hoffmann, Wissenschaftshistoriker, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und außerplanmäßiger Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er forscht zur Physik- und Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, u.a. erschien von ihm Physik im Kalten Krieg. Beiträge zur Physikgeschichte während des Ost-West-Konflikts (Hsg. mit Christian Forstner, 2013) sowie Einsteins Berlin (2018). 2010 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt.

Ulf von Rauchhaupt studierte Physik und Philosophie und ist seit 2001 Wissenschaftsredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Im Jahr 2002 erhielt er den Georg von Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus, 2006 den Journalistenpreis der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 2009 den Hanno und Ruth Roelin-Preis der Astronomischen Gesellschaft sowie den Werner und Inge Günter-Preis für Wissenschaftsvermittlung.