Vortrag
Mittwoch, 18.2.2004, 19:00h

Norbert Schappacher

Professor für Mathematik, Technische Universität Darmstadt; z.Zt. Wissenschaftlicher Gast am Collegium Helveticum, Zürich

Analysis in Zeiten des Krieges. Hermann Weyls Grundlagen der Mathematik 1918

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Jochen Brüning, Berlin

Was haben die Philosophen Martin Heidegger und Ludwig Wittgenstein mit dem Mathematiker Hermann Weyl gemeinsam? – Für alle drei war die Beschäftigung mit ihrer Wissenschaft eine derart existentielle Angelegenheit, dass sich die Frage nach dem Einfluss des Weltkriegserlebnisses auf ihr Schaffen aufdrängt. Außerdem stellen alle drei, an verschiedenen Punkten ihres Schaffens und aus ihrer jeweiligen Perspektive, die Frage nach dem Wesen des Zeitkontinuums. So wird in dem Vortrag versucht, insbesondere Hermann Weyls Buch Das Kontinuum. Kritische Untersuchungen über die Grundlage der Analysis von 1918 aus der Geschichte seiner Entstehung zu verstehen. Weyl zeigt sich mit dieser Schrift als extrem sensibler Seismograph für die Erschütterungen seiner Zeit. Diese Erkenntnis bettet das mathematische Buch in die Philosophiegeschichte jener Zeit ein. Ausgehend von dieser Diagnose stellt sich die Frage, wie die weitere Entwicklung der mathematischen Grundlagenprobleme zur Zeit- und Geistesgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts steht.

Norbert Schappacher, geb. 1950, habilitierte sich in Göttingen und lehrte von 1991–2001 Mathematik an der Université Louis Pasteur in Strasbourg. Seitdem unterrichtet er an der TU Darmstadt. Zahlreiche Veröffentlichungen in mathematischen Fachzeitschriften, darunter auch zahlreiche Arbeiten zur politischen Geschichte der Mathematik vor allem im 20. Jahrhundert.

Eine Veranstaltung im Rahmen der Reihe “Vom Selbstverständnis der Naturwissenschaften”