Vortrag
Mittwoch, 23.2.2011, 18h

Hartwig Vens

Wehre dich gegen den Staat – „Wutbürger“ ohne Wutsongs

2010 ist als das Jahr in die Annalen eingegangen, in dem der Bürger aufstand und sich aller „Alternativlosigkeit“ zum Trotz gegen staatliche Großprojekte zur Wehr setzte. Welche sozialen Charakteristika dieser Protest hatte: Aufstand der Konservativen, des Bürgertums oder der Alten – darüber wurde räsonniert bis zum Abwinken. Politische Popmusik, die mit diesem Protest in Verbindung gebracht werden könnte, blieb dagegen aus oder unbedeutend. Keine Hymne der neuen sozialen Mobilmachung ward vernommen. Ob es an der Bürgerlichkeit oder Altersstruktur des Protests lag, dass sich keine popmusikalische Allianz oder Resonanz einstellen wollte? Oder an der inneren Verfasstheit der Popmusik selbst? Es gibt jedenfalls Anlass, darüber nachzudenken, warum Popmusik mit oppositionellem Antlitz zu Beginn der Zehnerjahre so tot ist; warum ein Phänomen namens „Poplinke“ wie ein Fossil aus einer anderen Ära wirkt; was die Enthistorisierung der Popmusik damit zu tun hat; und nicht zuletzt: Ob an dieser Entwicklung etwas zu bedauern ist.

Hartwig Vens ist Redakteur beim Deutschlandradio Kultur und freier Musikjournalist und schreibt u.a. zu Themen wie Nationalismus, Neonazismus und Musik, sowie zu Ton Steine Scherben und deren Sänger Rio Reiser. In konkret äußerte er sich kritisch über die vieldiskutierte musikalische Deutschquote in Radio und Fernsehen und machte die Leser auf antifaschistische und antirassistische Inhalte und Aktionen in der deutschen Hip-Hop-Szene aufmerksam. Für das Buch Scherben – Musik, Politik und Wirkung der Ton Steine Scherben (2005) des ehemaligen Band-Schlagzeugers Wolfgang Seidel steuerte Vens einen Beitrag über mögliche nationale Tendenzen Reisers bei.