Melanie Möller
Von der Apologie zur ars moriendi: Antike Selbstentwürfe im Vergleich
Die antike Literatur kennt verschiedene Formen autobiographischer Literatur, die unter den Gattungsbezeichnungen »Viten«, »Hypomnemata«, »Confessiones« oder sogar »Anekdote« firmierten. Auch Briefe fungierten – ob in prosaischer oder poetischer Gestalt – als Medium der Selbstporträtierung. Dieser generischen Weite korrespondiert das disziplinenübergreifende Bedürfnis nach autobiographischer Mitteilung: Dichter und Philosophen, Historiker und Mediziner haben entsprechende Texte verfasst, die von einem apologetischen Impetus getrieben sind und die Grenze von Kunst und Leben, von ›Realität‹ und ›Fiktion‹ permanent überschreiten. Im Vortrag soll ein problemorientierter Überblick (Authentizitätsfragen, Schrift- und Gedächtniskritik) über diese autobiographischen Texte gegeben werden; im Mittelpunkt wird der Vergleich zwischen der Selbstbiographie des griechischen Logographen Isokrates, der seine Lehre selbst als Philosophie definiert hat, mit derjenigen des Ovid stehen, die er im vierten Buch seiner im vermeinten Exil entstandenen Trauergedichte verfasst hat. Bei beiden Autoren fungiert die Autobiographie als – philosophisches wie poetologisches – Mittel zum (Selbst)Zweck.
Melanie Möller ist Professorin für Klassische Philologie mit dem Schwerpunkt Latinistik an der Freien Universität Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. die spätrepublikanische und augusteische Literatur, Sprachphilosophie, Literaturkritik und -theorie, Hermeneutik und Rezeption der antiken Literatur. Zuletzt erschienen: Prometheus gibt nicht auf. Antike Welt und modernes Leben in Hans Blumenbergs Philosophie (Hrsg. 2015).