Vortrag
Donnerstag, 2.5.2024, 19:00h

Ulrich Dirnagl

Professor für Neurologie, Charité Berlin; Gründungsdirektor des QUEST Center for Responsible Research, Berlin

Profite wie im Drogenhandel? Wie Oligopole das akademische Verlagswesen kapern konnten

Gesprächsleitung: Rüdiger Zill, Potsdam

Präsenzveranstaltung im Einstein Forum
Auch im Live-Stream via Zoom (hier registrieren)

Jedes Jahr veröffentlichen wissenschaftliche Journale weltweit mehrere Millionen Artikel. Diese Journale befinden sich meist im Besitz kommerzieller Verlage, die ihrerseits von einigen wenigen Oligopolen kontrolliert werden. Deren Profitraten liegen bei 40% – das Ergebnis eines bemerkenswerten Geschäftsmodells.

Anders als noch vor etwa 20 bis 30 Jahren liegt inzwischen die komplette ›Wertschöpfungskette‹ der Wissenschaft (Forschen – Artikel schreiben – Artikel begutachten – Artikel formatieren etc.) inzwischen bei ihr selbst. Trotzdem sind die Verlage die ›Gatekeeper‹ des wissenschaftlichen Publizierens geblieben, und das kommt uns im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen: Denn die Wissenschaftsverlage nutzen einerseits die Forscher als Autoren, Gutachter und Herausgeber, ohne sie dafür zu honorieren; andererseits verlangen sie aber die Abtretung aller Urheberrechte. Die Universitätsbibliotheken kaufen dann mit Steuergeldern die – über die staatliche Forschungsförderung bereits mit Steuergeldern finanzierten – Artikel von den Verlagen. Alternativ, und dies ist das neueste Geschäftsmodell, müssen die Autoren gleich selbst für ihre eigenen Artikel zahlen, in Form sogenannter ›Article Processing Charges‹. Wie konnte sich dieses System entwickeln? Geht es da vielleicht inzwischen in erster Linie um eine Reputationsökonomie? Bleiben dabei kleinere, nicht-kommerzielle Verlage, die das Publikationswesen vorantreiben und bereichern, auf der Strecke? Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation?

Ulrich Dirnagl leitet den Bereich Experimentelle Neurologie an der Berliner Charité und ist Gründungsdirektor des Quest Center for Responsible Research am Berlin Institute of Health. Darüber hinaus setzt er sich mit monatlichen Kolumnen kritisch mit den Praktiken wissenschaftlicher Forschung und den akademischen Publikationsbedingungen auseinander (vgl. https://dirnagl.com). Zu seinen eigenen Publikationen zählt neben einer großen Zahl wissenschaftlicher Artikel auch das mit Jochen Müller zusammen verfasste Ich glaub, mich trifft der Schlag. Warum das Gehirn tut, was es tun soll, oder manchmal auch nicht (2016).