Helmut Lethen
Luzifer
Carl Schmitt als Luzifer (griechisch Phosphoros), der mit der Fackel des Begriffs Licht in verdunkelte Zonen des „Liberalismus“ trug. In dieser Gestalt hat Schmitt jedenfalls Intellektuelle der Weimarer Republik fasziniert. Ernst Niekisch beschrieb 1936 in seinem Buch Das Reich der niederen Dämonen die Anziehungskraft des bürgerlichen Gelehrten, der alle staatsrechtlichen Ideen auf ihren bürgerkriegsmäßigen Hintersinn befragte. Die Brillanz des intellektuellen Abenteurers mit seiner „Grazie des Raubtiers“ verlor Schmitt für Niekisch, als er sich „als Haustier des nationalsozialistischen Dogmas“ einige Jahre selbst an die Kette legte. Niekischs Metaphern weisen darauf hin, dass Schmitt einer Strömung der Avantgarde zugerechnet wurde, der alle Formen der liberalen Demokratie suspekt waren. Der Beitrag soll den Grenzgang der Faszination an den Grundsätzen von Schmitts Anthropologie erläutern.
Helmut Lethen lehrte Germanistik in Berlin, Utrecht und zuletzt am Lehrstuhl für Neueste Deutsche Literatur an der Universität Rostock. Nach Studien in Bonn, Amsterdam und Berlin wurde er 1970 mit einer Arbeit zum Thema Neue Sachlichkeit 1924–1932. Studien zur Literatur des Weißen Sozialismus promoviert. Sein Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem in den Verhaltenslehren des 20. Jahrhunderts und der Tradition der europäischen Moralistik, vor allem auch auf der Problematik der Authentizität. Er ist emeritiert und war zwischen 2007 und 2016 Direktor des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften in Wien. Ausgewählte Veröffentlichungen: Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen (1994); Der Sound der Väter. Gottfried Benn und seine Zeit (2006), Die Staatsräte. Elite im Dritten Reich: Gründgens, Furtwängler, Sauerbruch, Schmitt (2018).