Vortrag
Freitag, 2.2.2024, 18:30h

Philipp Stoellger

Heidelberg

Gewalt der Gefühle und gefühlte Gewalt. Zur Verschränkung und ihren Eskalationen

Gefühle, zumal fromme Gefühle mit ihren unfrommen Kehrseiten, sind mächtig, so mächtig, dass sie meist gut gekühlt wurden, möglichst vernünftig tiefgekühlt. Wenn aber die globalen Temperaturen ansteigen, funktioniert das nicht mehr. Die alten Gletscher schmelzen ab, geben alte und neue Gefühlskulturen frei – nicht ohne Ambivalenzen. Denn Gefühle sind mächtig, so mächtig, dass sie vom Schatten der Macht begleitet werden: der Gewalt in aller phänomenalen Dichte.
Wurden traditionell die Gefühle als widergöttlich und widervernünftig unter Verdacht gestellt und deswegen an die Leine gelegt, sind sie in Religionskulturen mittlerweile zum Leitmedium geworden: Es gilt, was gefühlt wird, vor allem, wenn es sich gut anfühlt. Die profane Seite dessen zeigt sich, wenn ‚gefühlte Gewalt‘ zum Grund ‚legitimer Gegengewalt‘ wird. Die Macht und das Gewaltpotential der Gefühle wird zum Grund ‚legitimer Selbstbehauptung‘ gegen Aggressionen und Mikroaggressionen. Diese Faltungen und Verschränkungen der Gewalt der Gefühle und der gefühlten Gewalt sollen an einigen Beispielen religiöser und ganz prophaner Provenienz beschrieben werden – um nach Auswegen aus dem mimetischen Zirkel der Gefühle zu fragen.


Philipp Stoellger
ist Professor für Systematische Theologie: Dogmatik und Religionsphilosophie an der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Er studierte evangelische Theologie und Philosophie in Göttingen, Tübingen und Frankfurt am Main, war zunächst Oberassistent an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, dann dort Geschäftsführender Oberassistent des Instituts für Hermeneutik und von 2007 bis 2015 Professor für systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Universität Rostock.
Ausgewählte Veröffentlichungen: Passivität aus Passion. Zur Problemgeschichte einer categoria non grata (2010); Metapher und Lebenswelt. Hans Blumenbergs Metaphorologie als Lebenswelthermeneutik und ihr religions-phänomenologischer Horizont (2000); Wortmacht – Machtwort. Deutungsmachtkonflikte in und um Religion (Mit-Hg. 2017); Bild und Tod. Grundfragen der Bildanthropologie (Mit-Hg. 2 Bde. 2016); Rhetorik und Religion (Hg. 2015); Deutungsmacht. Religion und belief systems in Deutungsmachtkonflikten (Hg. 2014); An den Grenzen des Bildes. Zur visuellen Anthropologie (Mit-Hg. 2014); Impossible Time. Past and Future in the Philosophy of Religion (Mit-Hg. 2013); Textwelt – Lebenswelt (Mit-Hg. 2012).