Vortrag
Freitag, 12.5.2023, 11:00h

Petra Boden, Wolfgang Hardtwig

Diskursives Erzählen. Theorie und Praxis erzählender Geschichtsschreibung
Wolfgang Hardtwig im Gespräch mit Petra Boden

Unlängst veröffentlichte der Historiker Wolfgang Hardtwig eine autobiographische Darstellung seiner Kindheit und Jugend, in der auch das bäuerliche Leben
nach 1945 geschildert wird. In der Einleitung heißt es: »Erzählen lässt sich auf verschiedene Weise: als bloßer Bericht über die Abfolge von Ereignissen; als
breite Schilderung des Lebens und seiner Buntheit; als Gespinst von Reflexionen, die mehr oder weniger fest an zwei Angelpunkten in der Zeit, Anfang und Ende,
befestigt sind; schließlich als diskursives Erzählen, das nach Ursachen und Wirkungen fragt.« Welche Form oder welche Formen die Geschichtsschreibung bevorzugen
sollte, war in den 1970er Jahren auch schon eines der zentralen Themen des Arbeitskreises Theorie der Geschichte, zu dessen Mitgliedern Hardtwig
gehörte. Das Gespräch soll den Bogen schlagen von den damaligen theoretischen Reflexionen bis zu der gegenwärtigen Praxis, die nicht nur Theorie und
Praxis in ein Verhältnis setzt, sondern auch die eigenen Erfahrungen mit der allgemeinen Geschichte.

Wolfgang Hardtwig, geb. 1944 in Reit im Winkl, studierte Geschichte, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an den Universitäten in Basel und München.
1971 wurde er wissenschaftlicher Assistent an der Universität München, wo er 1972 mit einer Dissertation über den Historiker Jacob Burckhardt promoviert
wurde. 1982 habilitierte er sich mit Studien zur Begriffsgeschichte von Verein, Genossenschaft, Gesellschaft und Gewerkschaft. Seit 1982 war er Privatdozent
in München, bis er 1985 auf eine Professur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg berufen wurde. Von 1991 bis 2009 war er Professor
für Neuere Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Schwerpunkt 19. Jahrhundert. Ausgewählte Veröffentlichungen: Der Hof in den Bergen.
Eine Kindheit und Jugend nach 1945
(2022); Freiheitliches Bürgertum in Deutschland. Der Weimarer Demokrat Eduard Hamm zwischen Kaiserreich und Widerstand (2018); Deutsche Geschichtskultur im 19. und 20. Jahrhundert (2013); Verlust der Geschichte – oder wie unterhaltsam ist die Vergangenheit (2010).

Petra Boden, geb. 1954, ist Literaturwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Wissenschaftsgeschichte und arbeitet am Institut für Deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin an ihrem DFG Projekt »Interdisziplinarität als Praxisform. Die Debatten um den epistemischen Status des Erzählens als exemplarischer Fall (1970 – 1990)«.