Vortrag
Freitag, 28.1.2011, 10h

Friedrich Schorlemmer

Die Ambivalenz des Stolzes

Stolz ist und bleibt ein höchst ambivalentes Phänomen,
1. Stolz ist Ausdruck der eigenen Selbstachtung gegen jede Erniedrigung,
2. Stolz ist Ausdruck des Staunens über sich selbst, also ein Gewinn von Selbstgewissheit.
3. Stolz ist Ausdruck der Selbstüberhebung gegen andere (Hybris und Superbia).
Stolz ist das Gefühl einer großen Zufriedenheit mit sich selbst, ja geradezu einer Hochachtung seiner selbst – ohne jede Minderachtung anderer. Besonders, wenn jemand in einem Konflikt oder in einer existentiellen Bedrohung bestanden hat, wiewohl ihn Angst und Selbstzweifel geplagt haben mögen, wird er durch Stolz gestärkt.
Stolz entspringt einer subjektiven Gewissheit, etwas ganz Besonderes, etwas Anerkennenswertes, Zukunftsträchtiges für die Gemeinschaft geleistet zu haben oder daran entscheidend mitgewirkt zu haben, ob dies von anderen anerkannt wird oder nicht. Dieses Gefühl ist nicht zustimmungsgebunden, sondern selbstgewiss.

Friedrich Schorlemmer, geboren 1944 in Wittenberge, studierte von 1962 bis 1967 Theologie in Halle. Danach war er Studieninspektor in den Franckeschen Stiftungen und Vikar in Halle-West/Neustadt. Von 1971 bis 1978 war er als Jugend- und Studentenpfarrer in Merseburg tätig. Von 1978 bis 1992 lehrte er am Evangelischen Predigerseminar und war Prediger an der Schlosskirche in Wittenberg. Nach der Wende bis zum Jahr 2007 war Schorlemmer Studienleiter an der Evangelischen Akademie Wittenberg. Neben seiner akademischen Tätigkeit engagierte Schorlemmer sich als Friedensaktivist und Bürgerrechtler in der DDR. Er ist Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, der SPD und des BUND, Vorsitzender des Willy-Brandt-Kreises in Berlin und Mitherausgeber des Freitag, der Blätter für deutsche und internationale Politik und der Universitas. 2002 erhielt er den Ehrendoktor der Concordia University in Austin/Texas. Ausgewählte Publikationen: Tapferkeit vor dem Freund. Wortmeldungen aus der Lutherstadt Wittenberg (1993); Es ist nicht umsonst. Predigten und Reden 1983–1993 (1993); Zu seinem Wort stehen (1994); Was ich denke (1995); Wohl dem, der Heimat hat (2009); Albert Schweitzer. Genie der Menschlichkeit (2010).