Eva Menasse
Das eitle Ich. Lesung aus: Alles und nichts sagen
»Ich möchte argumentieren, dass die Digitalmoderne die größte Herausforderung für die menschliche Ich-Konstruktion darstellt, die es je gab. Ungeheure und entgegengesetzte Kräfte wirken darauf ein, solche, die es aufblähen, solche, die es als bloßen Datenlieferanten in unübersichtlichen Massen verschwinden lassen wollen. […]
Parallel zum Siegeszug der sozialen Medien verlief der Aufstieg der sogenannten Identitätspolitik. In ihren karikaturhaften Ausprägungen ist sie der perfekte Ausdruck dessen, wozu die Technologie den Menschen umgemodelt hat. Auch viele der erklärten Gegner der Identitätspolitik benehmen sich inzwischen genau wie Identitätspolitiker, indem sie auf ihre individuellen Kränkungen verweisen, ihr eitles Ich absolut setzen und mit ihm als Pfund in der öffentlichen Arena wuchern.«
Eva Menasse ist Schriftstellerin und Essayistin. Sie begann als Journalistin bei Profil und der Frankfurter Allgemeine Zeitung. 2000 veröffentlichte sie Der Holocaust vor Gericht. Der Prozeß um David Irving. 2005 erschien Vienna, ihr erster Roman. Es folgten die Romane und Erzählungbände Lässliche Todsünden (2012), Quasikristalle (2013), Tiere für Fortgeschrittene (2017) und Dunkelblum (2021), die vielfach übersetzt und ausgezeichnet wurden. Als Essayistin veröffentlichte sie zuletzt Alles und nichts sagen (2023).