Vortrag
Dienstag, 24.6.2025, 19:00h

Martin Schaad

Historiker, Berlin

Des Kaisers Hunnenrede. Unbotmäßige Anmerkungen zum 125. Jahrestag

Gesprächsleitung: Franziska Bomski, Potsdam

Im Sommer 1900 befahl der letzte deutsche Kaiser seinen nach China abgehenden Truppen, bei der Niederschlagung des sogenannten Boxeraufstands „kein Pardon“ zu geben, keine Gefangenen zu machen und sich wie die Hunnen unter ihrem König Etzel aufzuführen, dessen Schreckensherrschaft noch nach 1000 Jahren furchteinflößend nachwirke. Nach einer bis heute weit verbreiteten Auffassung handelte es sich bei der „Hunnenrede“ um die wohl schlimmste der zahlreichen rhetorischen Entgleisungen, die Wilhelm II. sich geleistet hatte. Aber war sie überhaupt eine solche?
In seinem Vortrag rekonstruiert Martin Schaad einen Kontext, in dem die Rede des Kaisers nicht als unkontrollierter Gefühlsausbruch, sondern als vorsätzliche Willensäußerung gedeutet werden kann. Den in voller Absicht gesprochenen Worten lag demnach ein Denken in Bildern zugrunde, das Wilhelms Vorstellung von heroischer Kriegsführung, seine ungezügelte Rachsucht wie auch seinen religiösen Eifer hervortreten lässt.

Martin Schaad studierte Geschichte an der Universität Stirling und wurde am St Antony’s College der Universität Oxford promoviert. Von 1998 bis 2024 arbeitete er am Einstein Forum, ab 2001 als stellvertretender Direktor. Zu seinen Publikationen zählen die Monografien „Dann geh doch rüber“ – Über die Mauer in den Osten (2009), Die fabelhaften Bekenntnisse des Genossen Alfred Kurella (2014), Der Hochverrat des Amtmanns Paul Juel (2020) und zuletzt Brennen sollstu! Die Hexen von Poel (2021).