Lecture
Tuesday, Feb 4, 2003, 7:00 PM
Otto-Braun-Saal der Staatsbibliothek zu Berlin
Berlin-Tiergarten, Potsdamer Straße 33

Jan Philipp Reemtsma, Tzvetan Todorov

Understanding Violence

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Susan Neiman, Potsdam

Tzvetan Todorov
Directeur de recherche, Centre national de la recherche scientifique, Paris

Jan Philipp Reemtsma
Hamburger Institut für Sozialforschung; Professor für Neuere Deutsche Literatur, Universität Hamburg

“Der Begriff Zivilisation hat keinen guten Ruf; es empfiehlt sich, ihn zunächst deskriptiv zu gebrauchen. Eine Kultur unter dem Aspekt ihrer Zivilisiertheit zu betrachten heißt, sie daraufhin anzusehen, welche Grenzen sie zwischen erlaubter, gebotener und verbotener Gewalt zieht.” (Jan Philipp Reemtsma)
 
Tzvetan Todorov und Jan Philipp Reemtsma – beide haben als Literaturwissenschaftler begonnen, beide haben sich in den letzten Jahren mehr und mehr zivilisationstheoretischen und moralphilosophischen Problemen zugewandt. In diesem Zusammenhang ist für beide das Thema “Gewalt” zentral geworden. Dabei bleibt die Formulierung von Erfahrungen in der Literatur aber immer ein wesentlicher Bestandteil ihrer Untersuchungen. So erteilt Todorov der Auffassung, Literatur sei lediglich ein selbstreferentielles Spiel von Bedeutungen, eine emphatische Absage: “wenn die Literatur uns nicht etwas Wesentliches über die Conditio humana mitteilen würde, so würde sich niemand die Mühe machen, bisweilen zu zweitausend Jahre alten Texten zurückzukehren.”

Die Referenten

Tzvetan Todorov
geboren 1939 in Bulgarien, lebt seit 1963 in Frankreich. Studierte Slavistik in Sofia und Sprach- und Literaturwissenschaften in Paris, Promotion 1970. 1967/68 Visiting Lecturer an der Yale University, seit 1968 Forschungstätigkeiten am Centre national de la recherche scientifique (CNRS), seit 1987 als Directeur de recherche. 1983-1987 Direktor des Centre des recherches sur les arts et le language am CNRS. Gastprofessuren u.a. an der New York University und an der Columbia University.
Ausgewählte Literatur in Deutsch:
Einführung in die fantastische Literatur, München 1972
Poetik der Prosa, Frankfurt/Main 1972
Die Eroberung Amerikas. Das Problem des Anderen, Frankfurt/Main 1985
Angesichts des Äußersten, München 1993
Symboltheorie, Tübingen 1995
Abenteuer des Zusammenlebens. Versuch einer allgemeinen Anthropologie, Berlin 1996.

 

Jan Philipp Reemtsma
geboren 1952. Studium der Germanistik und Philosophie in Hamburg; 1981 Gründer, seit 1983 Vorstand der Arno Schmidt Stiftung; Mitherausgeber der Bargfelder Ausgabe der Werke Arno Schmidts; 1984 Gründung und seither Tätigkeit als Vorstand des Hamburger Instituts für Sozialforschung; Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Hamburg. U.a. Mitglied im Kuratorium des Einstein Forums.
Ausgewählte neuere Publikationen:
Im Keller, Hamburg 1997
Mord am Strand. Allianzen von Zivilisation und Barbarei, Hamburg 1998
Der Liebe Maskentanz. Aufsätze zum Werk Christoph Martin Wielands, Zürich 1999
Stimmen aus dem vorigen Jahrhundert. Hörbilder, Stuttgart 2000
»Wie hätte ich mich verhalten?« und andere nicht nur deutsche Fragen, München 2001
Verbrechensopfer. Gesetz und Gerechtigkeit, München 2002 (zus. mit Winfried Hassemer).

 
Der Eintritt ist frei
 
Eine Gemeinschaftsveranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Einstein Forums in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek zu Berlin
 
 
Die Reihe Blickwechsel
Wissenschaft ist nicht einfach ein abstraktes Subjekt, sie ist auch geprägt von den Erfahrungen der Wissenschaftler. In der Reihe Blickwechsel werden die jeweiligen Fächer daher aus der Perspektive unterschiedlicher Generationen betrachtet. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass der Blick auf das Fach sich von Generation zu Generation entscheidend ändern kann. Dieser »Blickwechsel« resultiert aus unterschiedlichen Prägungen während des Studiums, sich verändernden Problemlagen in der Forschung oder auch aus einer wechselnden historischen Grunderfahrung zwischen den Generationen. Indem zwei verschiedene Blicke auf ein Gebiet der Wissenschaft geworfen werden, erhoffen wir uns tiefere Einblicke in die Dynamik der jeweiligen Disziplinen. Indem die unterschiedlichen Generationen miteinander Blicke wechseln, soll auch eine Art neuer Selbstreflexion der Fächer entstehen.