Şener Aktürk
The German Ethnicity Regime
Der von Şener Aktürk geprägte Begriff der Ethnizititätsordnung beschreibt das Verhältnis zwischen Ethnizität und Nation. Dieses ist historisch gewachsen und von Land zu Land unterschiedlich. Der deutsche Fall ist im internationalen Vergleich besonders interessant. In diesem Vortrag wird der Wandel der deutschen Ethnizitätsordnung beschrieben und mit ähnlichen Prozessen vor allem in Russland und der Türkei verglichen.
Ab Mitte der 1950er Jahre stellte die Ankunft der ersten ausländischen Gastarbeiter die bundesdeutsche Ethnizitätsordnung vor ernste Herausforderungen. Langfristig wandelte sich das traditionell monoethnische Regime zu einer Ordnung, die man als antiethnisch bezeichnen kann. Sahen die CDU-geführten Regierungen zwischen 1949 und 1969 noch keinen Reformbedarf, so gab es für die sozialliberalen Koalitionen (1969-1982) konkrete Anreize zu einer Änderung des Staatsbürgerrechts, da sie über die Gewerkschaften mit den Gastarbeitern verbunden waren. Die ersten Reformversuche scheiterten jedoch, weil es der Regierung nicht gelang, einen neuen Diskurs über Ethnizität und Nationalität in Gang zu bringen. In der Ära Kohl wurde versucht, die deutsche Nationalität wieder stärker mit deutscher Ethnizität zu verbinden. Gleichzeitig reiften innerhalb der SPD und vor allem mit den multikulturell argumentierenden Grünen Gegeneliten heran, die während der rot-grünen Koalition im Jahr 1999 ein neues Staatsbürgerrecht durchsetzten. Es entstand ein neuer, inklusiver Nationsbegriff, der auf Assimilation basierte.
Şener Aktürk studierte Politikwissenschaften und internationale Beziehungen an der University of Chicago, promovierte in Berkeley über Ethnizitätsordnungen in Deutschland, der Sowjetunion, dem postsowjetischen Russland und der Türkei und war Gastdozent in Harvard. Zahlreiche Veröffentlichungen auf Englisch und Türkisch in wissenschaftlichen Zeitschriften und der Tagespresse. Sein Buch Redefining Nationhood in Germany, Russia, and Turkey: Regimes of Ethnicity erscheint in Kürze bei Cambridge University Press.