Vortrag
Donnerstag, 1.11.2001, 19:00h

David Winner

Publizist, Amsterdam

National Identity through Football

Gesprächspartner: Wolfert von Rahden, Berlin

Wie schon in seinem jüngsten Buch wird David Winner der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Fußball und nationalem Selbstverständnis nachgehen. Während er sich in Brilliant Orange (2000) mit der wechselvollen Geschichte und Kultur der holländischen Fußball-Nationalmannschaft befasste, gilt dieser Vortrag jedoch dem deutschen Fußball.

Hierbei wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen Fußball und nationaler Identität keine kausale Einbahnstraße ist; aber ebenso deutlich wird, dass das Eine jeweils mehr darstellt als lediglich eine Projektionsfläche für das Andere. So wie Fußball – und besonders Fußballberichterstattung – natürlich wie andere Alltagsphänomene zur Bildung regionaler wie nationaler Identitäten beitragen kann; so ist aber auch das Spiel selbst und die darin verfolgte Taktik Ausdruck der kulturellen und konkret gesellschaftshistorischen Umstände. Wenn zudem die Verbindung beider Phänomene von Kulturschaffenden aufgegriffen wird, kann es sich um mehr oder minder subtile Gesellschaftskritik handeln.

Für Winner ist es also gleichermaßen interessant, zu untersuchen, inwieweit der “Anschluß” Österreichs maßgeblich für die Niederlage der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft von 1938 war; warum Sepp Herberger bei der Weltmeisterschaft 1954 zunächst ganz bewußt gegen Ungarn verlieren wollte, nur um im Endspiel ein überraschendes 3-2 zu erzielen; oder auch warum Rainer Werner Fassbinder den berühmten Kommentar zu eben diesem Endspiel als Vertonung der Schluss bzw. Selbstmordszene seines Films “Die Ehe der Maria Braun” wählte: “Aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!”