Vortrag
Dienstag, 21.6.2016, 19h

Achim Landwehr

Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Anwesende Abwesenheiten des Vergangenen

Gesprächsleitung: Dr. Matthias Kroß, Potsdam

Mit der Vergangenheit kann man sich nicht beschäftigen – schließlich ist sie vergangen. Man kann sich für die Vergangenheit interessieren, man kann sie sich vorstellen, sich auch dem Material widmen, das aus dieser Vergangenheit in einer Gegenwart übriggeblieben ist. Aber der Zugang zu dieser Vergangenheit bleibt uns bis auf Weiteres verwehrt. Historisches Arbeiten entpuppt sich vor diesem Hintergrund als ein zutiefst paradoxes Unterfangen, insofern es die Spannung einer anwesenden Abwesenheit behandelt. Die Möglichkeiten einer Gegenwart, sich auf abwesende Zeiten (Vergangenheit und Zukunft) zu beziehen, sollen als ‚Chronoferenzen‘ bezeichnet werden. Chronoferenzen gestatten es, konventionelle Formen historischer Kausalität und zeitlicher Linearität hinter sich zu lassen, um stattdessen die wesentlich vielfältigeren Formen in den Blick zu nehmen, wie Kollektive mit den Problemen umgehen, die ihnen die Zeit stellt. ‚Geschichte‘ erweist sich vor diesem Hintergrund nicht länger als der alles erklärende Göttersatz, weil sie zeigen kann, wieso die Dinge (geworden) sind, wie sie sind; das Historische zeigt sich vielmehr als ein sehr vielfältiges, lebendiges und daher auch immer umkämpftes Geflecht, in dem unterschiedliche Zeiten aufeinander bezogen werden.

Achim Landwehr war von 2003 bis 2008 Juniorprofessor für Europastudien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und lehrt dort seit 2008 als Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit. Neueste Publikationen: Historische Diskursanalyse (vollständig überarbeitete Neuausgabe der Geschichte des Sagbaren), 2008; Kulturgeschichte, 2009; Geburt der Gegenwart. Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert, 2014.