Todd Gitlin
Julian Assange and Daniel Ellsberg. A Tale of Two Worldviews
Obwohl Daniel Ellsberg in Julian Assange einen Kampfgefährten sah, als WikiLeaks den riesigen Korpus an Dokumenten über den Irak und Afghanistan ins Netz stellte, so repräsentiert er doch eine andere Weltanschauung. Ellsberg war, obwohl er sich später radikalisierte, zunächst ein Reformer und Patriot. Als er 1971 die Pentagon-Papiere publizierte, hat er sich erst dann an die Presse gewandt, als er kein Kongressmitglied davon überzeugen konnte, diese Dokumente über den grausamen Vietnam-Krieg von sich aus zu veröffentlichen. Und vor allem: Die Pentagon-Papiere erzählten eine Geschichte.
Im Gegensatz dazu atmet die WikiLeaks-Sammlung tausender diplomatischer Berichte den Geist der Generation von Assange: Sie ist eine Daten-Deponie, ein Kulturstau, ein Durcheinander – anarchistisch und post-national. Weil für Assange die traditionellen, hierarchischen Strukturen, der Staat und die nationale Presse, versagt haben, wollte er sie blockieren und durch horizontale und diagonale Kulturen ersetzen.
Gemeinsam mit Al-Dschasira, Handy-Kameras, YouTube, Facebook und Twitter repräsentiert auch WikiLeaks die Logik der neuen Medien: In den Augen ihrer Kritiker eine chaotische, in denen ihrer Anhänger aber eine der Transparenz, die der Befreiung der Öffentlichkeit dient. Dabei ist Assange allerdings nach und nach eine Symbiose mit den etablierten Medien eingegangen – und beide brauchen einander. Was auch immer mit Assange selbst geschieht, so wird doch dieses Modell eine Zukunft haben. Das hat sich nicht zuletzt an der Rolle von Facebook, Al-Dschasira und auch WikiLeaks für das Gelingen der arabischen Revolutionen gezeigt.