Vortrag
Donnerstag, 7.2.2008, 16:15h

Matthias Kroß

Wiss. Referent, Einstein Forum, Potsdam

Illusionen: Was der Fall sein kann

Gesprächsleitung: Prof. Dr. Ralf Rogowski, Warwick/Berlin

Jede Illusion beginnt Illusion zu sein mit einer Desillusionierung. Ein Traum platzt, die Erwartung erfüllt sich nicht, Hoffnungen müssen begraben werden, Gewissheit schmilzt dahin. Die Ent-Täuschung ist im Fall der Illusion schmerzlich; erst durch intensive Rationalisierung stellt sie sich als Wohltat, als Erlösung oder Erleuchtung heraus, nur selten unmittelbar als Fortschritt. Klugheit kommt erst nach dem Fall. In dem Vortrag werden verschiedene solcher Fälle desillusionierender Erfahrung an paradigmatischen Beispielen einer metaphorischen, aber in unserer Kultur lange wirkungsmächtigen philosophischen Dendrologie geschildert. Beschrieben werden z.B. Bäume der Träume, der Erkenntnis und vor allem jene, aus denen das „krumme Holz der Humanität“ (Kant) geschnitzt ist, um zu zeigen, dass gerade das aus der Desillusionierung geborene Bestreben, herauszufinden was wirklich der Fall (gewesen) ist, nur soweit reicht zu bestimmen, was so far der Fall gewesen sein mag. From now on mehr zu wollen, ist zwar menschlich, steht unter dem Verdacht, wiederum in den Strudel der Illusionen gerissen zu werden. Das Fallen will in der Tat gelernt sein.

Matthias Kroß, geb. in Osterode am Harz. Studium der Geschichte, Politologie, Philosophie und Kunstgeschichte in Marburg, Bremen und Berlin. Seit Ende der siebziger Jahre Publizist, Redakteur und Übersetzer. 1985/6 Ausbildung zum Gymnasiallehrer für Geschichte und Sozialkunde; anschließend Aufgabe des Schuldienstes und langjährige Tätigkeit als Dozent in der politischen Erwachsenenbildung, Referent für Öffentlichkeitsarbeit, freiberuflicher Kulturjournalist sowie Fachgutachter für Verlage und Einrichtungen der Forschungsförderung. 1993 Promotion an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit Klarheit als Selbstzweck. Wittgenstein über Philosophie, Ethik, Religion und Gewissheit. Seit 1995 Wissenschaftlicher Referent am Einstein Forum, Potsdam. Seit 1999 Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam. Vorstandsmitglied der literaturWERKstatt Berlin, Direktoriumsmitglied des Instituts für Kulturforschung Heidelberg sowie Councilor of the Tagore-Einstein-Center der Universität Visva Bharati/Santiniketan, Bengalen. Er ist Mit-Hg. der Buchreihe Wittgensteiniana. Jüngere Veröffentlichungen: „Jargon einmal anders oder: Vom zu engen Schuhwerk der Philosophen. Günther Anders, Robert Musil und Ludwig Wittgenstein als Diagnostiker einer déformation professionelle“, in: Rüdiger Zill (Hg.): GANZ ANDERS? (2007); „Die Poetik des Fremden. Zu Michael Roes’ Perversion und Glück“ (2007); „Den Nagel auf den Kopf treffen. Bemerkungen zu Wittgensteins Stil“, in: ders. (Mit.-Hg.): Ludwig Wittgenstein. Ingenieur – Philosoph – Künstler (2007); Mit.-Hg.: Wittgenstein und die Metapher (2004); Mit-Hg.: Zum Glück (2004); Hg.: „Ein Netz von Normen.“ Witt-genstein und die Mathematik (2008).