Jürgen Goldstein
Nature Writing – gegen seine Liebhaber verteidigt
Die Regale der Buchläden sind angefüllt mit Neuerscheinungen über die Natur: Die Wälder sind wieder voller Geheimnisse, die Tiere sprechen miteinander, und dem Menschen wird wohlfeil eine mögliche Heimkehr in eine Natur jenseits unserer hektischen Kultur versprochen. Mag auch manches dieser ausufernden Literatur des sogenannten Nature Writing fragwürdig sein und sich dem Zeitgeist anbiedern, so ist doch ihre Konjunktur auch ein Indikator für ein tiefes wie unbestimmtes Unbehagen an der Moderne.
In dem Vortrag wird zunächst ein Blick auf das Leben und Werk von Henry David Thoreau geworfen, der eigenbrötlerischen wie faszinierenden Gründerfigur des Nature Writing. 1845 zog sich dieser Verteidiger der Wildnis in eine Holzhütte an einem See zurück und schrieb darüber sein legendäres Buch Walden. Anhand exemplarischer Stationen des Nature Writing von Thoreau bis zu Marion Poschmann wird dann erläutert, was den Reiz dieses literarischen Genres ausmacht und warum wir auf ein derartiges Erschreiben der Natur nicht verzichten können. Schließlich wird es darum gehen, dessen berechtigtes Anliegen trotz aller Auswüchse gegen seine vorschnellen Liebhaber zu verteidigen: In einer Zivilisation, die sich aufgrund ihres globalen Einflusses bereits als Zeitalter des Anthropozän begreift, hat es darum zu gehen, die Wildnis der Natur im Wechselspiel des Lebens zu halten.
Jürgen Goldstein hat 2013 eine Entdeckung der Natur. Etappen einer Erfahrungsgeschichte in der Reihe Naturkunden bei Matthes & Seitz veröffentlicht. 2015 erschien von ihm Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt, für das ihm u.a. 2016 der Preis der Leipziger Buchmesse (Kategorie Sachbuch Essayistik) verliehen wurde. Für den Herbst 2019 ist ein Buch über Nature Writing. Sprache als Erscheinungsraum der Natur angekündigt.