Vortrag
Dienstag, 6.11.2001, 19:00h

Glenn W. Most

Professor für Klassische Philologie, Scuola Normale Superiore, Pisa

Glauben und Skepsis. Caravaggios “Ungläubiger Thomas” im Kontext

Gesprächspartner: Prof. Dr. Winfried Menninghaus, Berlin

Ist Caravaggios beunruhigendes, ja bestürzendes Bild des Ungläubigen Thomas, das in Potsdam seit dem 18. Jahrhundert hängt, eher ein Dokument des Glaubens oder eines der Skepsis?

Wie niemals zuvor in der Kunstgeschichte wird der Betrachter in diesem Gemälde mit der gewaltsamen Leibhaftigkeit des zweifelnden Gestus dieses liebenden, aber verzweifelten Jüngers so radikal konfrontiert. Die Figur des heiligen Thomas selbst war ja in den literarischen Quellen und in der exegetische Tradition immer eine paradoxe und problematische Mischung aus Glauben und Zweifel, aus Liebe und Aggression, aus Verehrung und Verhöhnung. Caravaggio gelingt es, diese Mischung auf unvergessliche Weise bildlich einzufangen. Im Vortrag soll Caravaggios Bild in die verschiedenen ihm vorhergehenden und ihn umgebenden Traditionen und Kontexte — Kunstgeschichte, Theologie, Gegenreformation — interpretativ eingebettet werden, um auf diese Weise seine Leistung zu würdigen und seine Botschaft zu klären.