Vortrag
Freitag, 24.4.2009, 17:45h
Filmhaus am Potsdamer Platz, Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin

Julian Hanich

Filmwissenschaftler, Exzellenzcluster "Languages of Emotion", Freie Universität Berlin

Es muss nicht immer komisch sein. Über Formen des Lachens im Kino

Außer vor dem Fernseher lachen Menschen an keinem Ort häufiger als im Kino. Doch was wissen wir eigentlich über das Kinolachen? Erstaunlich wenig. Wenn sich die Filmwissenschaft überhaupt mit dem Lachen auseinandersetzt, dann beschränkt sie sich vorwiegend auf das komische Lachen – also das Lachen, das auf die Komik und den Witz des Films antwortet. Mit dieser Einseitigkeit entgeht ihr nicht nur die schillernde Vielfalt des Lachens, sondern auch die intersubjektive Dynamik des Kinosaals. In meinem Vortrag stelle ich – unter anderem – folgende Formen des Lachens im Kino vor:
• das humorvoll-überwältigte Heraus-Lachen: eine passive Humor-Reaktion auf etwas Witziges oder Komisches, von dem man leiblich überwältigt wurde
• das verstehend-erkennende Signal-Lachen: Damit gibt ein Connaisseur zu verstehen, dass er z.B. eine Anspielung verstanden hat und stellt so sein Wissen zur Schau
• das verächtlich-wertende Ver-Lachen: eine negativ urteilende Reaktion des ästhetischen Geschmacks auf Niederes, Geschmackloses oder Missglücktes im Film
• das distanzierend-befreiende Weg-Lachen: eine Reaktion des Körpers auf etwas leiblich Bedrängendes (wie eine zu nahe kommende Darstellung von Ekelhaftem)
• das beschämt-nervöse Über-Lachen: eine gleichsam übertünchende Antwort auf eine vorangegangene Reaktion des Zuschauers, die als beschämend empfunden wurde.
Um Ordnung in diese Vielfalt zu bringen, schlage ich zudem drei Kategorisierungsachsen vor: 1.) Lachen über den Film versus Lachen über das Publikum, 2.) individualisierend-distanzierendes Lachen versus kollektivierend-zusammenführendes Lachen und 3.) passives Überwältigungslachen versus aktives Kommunikationslachen.

Julian Hanich, geboren 1975 in München, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Exzellenzcluster »Languages of Emotion« der Freien Universität Berlin. Er hat in Berlin, Berkeley, Los Angeles und Amsterdam studiert und promoviert. Zuletzt veröffentlichte er eine Reihe von Aufsätzen zu starken Kino-Affekten wie Erschrecken, Weinen und Ekel. Demnächst erscheint bei Routledge sein Buch Cinematic Emotion in Horror Films and Thrillers. The Aesthetic Paradox of Pleasurable Fear. Julian Hanich arbeitet zudem als Filmkritiker für den Tagesspiegel und hat journalistische Essays für Lettre International, Merkur – Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken und die Süddeutsche Zeitung geschrieben.