Vortrag
Samstag, 22.6.2019, 10:00h

Gabowitsch Mischa

Erinnerungskultur und Gedenkpraktiken. Eine Begriffsschärfung, postmigrantisch illustriert

Das Englische unterscheidet zwischen memory – der Vergegenwärtigung von Vergangenem im Bewusstsein, auf Papier oder etwa im Film – und commemoration – dem, was wir tun, um an Vergangenes zu erinnern. Im Deutschen fehlt es an einem Begriffspaar mit ähnlicher Trennschärfe. Stattdessen werden repräsentative und performative Aspekte des Erinnerns zunehmend im schwammigen Begriff der „Erinnerungskultur“ zusammengefasst. Der Vortrag plädiert dafür, auch im Deutschen klarer zwischen Erinnerung und Gedenken zu unterscheiden. Nicht zuletzt, weil der Umgang mit der Vergangenheit in Deutschland in einem Wandel begriffen ist, der nicht nur die Inhalte und Formen der Repräsentation von Geschichte betrifft, sondern auch die Praktiken des Gedenkens. Nicht nur die Wissenschaft, auch die deutsche Gesellschaft benötigt ein Vokabular, das diesen Wandel adäquat abbilden kann.

Mischa Gabowitsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Einstein Forum und war Co-Leiter zweier internationaler Forschungsprojekte zum postsozialistischen Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. Jüngere Buchveröffentlichungen: Protest in Putin’s Russia (2016); Replicating Atonement: Foreign Models in the Commemoration of Atrocities (2017, Hrsg.); Kriegsgedenken als Event: Der 9. Mai 2015 im postsozialistischen Europa (2017, Hrsg. mit Cordula Gdaniec und Ekaterina Makhotina) und Pamjatnik i prazdnik: etnografija Dnja Pobedy [Denkmal und Feier: Ethnographie des Tags des Sieges] (2019, Hrsg.).