Vortrag
Freitag, 14.12.2012, 15h

Winfried Gebhardt

Der erlaubte Exzess. Über das Management der Gefühle in Festen, Feiern und Events

Gefühle können, wenn sie überborden, gefährlich sein. Dann bedrohen sie nicht nur soziale Ordnungen, sondern auch persönliche Identitäten. Feste und Feiern sind soziale Institutionen, die das Ausleben von Gefühlen zwar gestatten, es aber gleichzeitig einhegen und damit seiner anarchistischen Sprengkraft berauben. Sie tun dies, indem sie das Ausleben von Gefühlen zeitlich begrenzen, spezifische Orte dafür vorsehen und besondere, außeralltägliche Rituale entwickeln, innerhalb derer Gefühlsexplosionen bewältigbar erscheinen. In dieser Aufgabe unterscheiden sich Feste und Feiern, nicht nur was das Spektrum der erlaubten Gefühle angeht, sondern auch was die rituellen Formen und ihre ästhetische Ausgestaltung betrifft, in charakteristischer Art und Weise. Im ersten Teil des Vortrags sollen die jeweils besonderen Leistungen von Festen und Feiern für das Management der Gefühle thematisiert werden. Im zweiten Teil des Vortrages soll die Frage angerissen werden, welche Konsequenzen für das Management der Gefühle zu erwarten sind, wenn mit der Multiplizierung, Ökonomisierung und Profanisierung des Festlichen – die gemeinhin als Eventisierung bezeichnet wird – die durch Feste und Feiern vorgegebenen Grenzziehungen verschwimmen. Wird die ‚festliche Freiheit’ dann zum sozialen Problem?

Winfried Gebhardt, geb. 1954, Professor am Institut für Soziologie der Universität Koblenz-Landau. Er studierte Soziologie, Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre, Philosophie und Geschichte in Köln und Cork und wurde 1987 an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in Soziologie promoviert. Habilitation 1993 an der Universität Bayreuth. 1987–1993 akademischer Rat auf Zeit am Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie der Universität Bayreuth, Gastprofessuren an der Universität Kosice, Slowakische Republik, seit 1998 Professor für Allgemeine Soziologie in Koblenz.
Ausgewählte Veröffentlichungen: Fest, Feier und Alltag (1987); Zwei Dörfer in Deutschland. Mentalitätsunterschiede nach der Wiedervereinigung (mit G. Kamphausen 1994); Charisma als Lebensform. Zur Soziologie des alternativen Lebens (1994); Pilgerfahrt ins Ich. Die Bayreuther Richard Wagner-Festspiele und ihr Publikum (mit A. Zingerle 1998).