Lecture
Thursday, Feb 14, 2013, 7 PM

Martin Schaad

Stellvertretender Direktor, Einstein Forum, Potsdam

Black Box Moskau oder: Wie wird man eigentlich Stalinist?

Gesprächsleitung: Dr. Claudia Weber, Hamburg

Wie wird man Stalinist? Wie gelangt man zu der Überzeugung, dass eine kleine Führungsclique innerhalb der Partei mit Mitteln des bürokratischen Zentralismus in alle Bereiche des öffentlichen und auch privaten Lebens eindringen und all das, was von der offiziellen Parteilinie „abweicht“ bekämpfen sollte? Mit Mitteln der Einschüchterung, der Zensur, der Verhaftung oder gar schlimmeren Methoden.
In Anbetracht der Vielfalt menschlicher Wünsche, Neigungen und Talente ist diese stalinistische Weltsicht gleichermaßen anmaßend (dass man dies dürfe) wie irrsinnig (dass man dies auf Dauer auch könne). Um zu verstehen, wie jemand auf diesen Gedanken kommen kann, bedarf es einer genauen Untersuchung der Entwicklungsgeschichte des dem zugrunde liegenden Selbstverständnisses und Menschenbilds. Denn niemand wird als Stalinist geboren.
Am Fall des Schriftstellers und DDR-Kulturfunktionärs Alfred Kurella nimmt Martin Schaad detektivische Ermittlungen zu dieser Frage auf. Als Indizien dienen dabei die Reden Georgi Dimitroffs, der Roman Was tun? von Nicolai Tschernyschewski, die gleichnamige Schrift von Wladimir Iljitsch Lenin, zwei Liederbücher und eine Wanderkarte des Weserberglandes. Alle Spuren führen nach Moskau und in das Jahr 1935.

Martin Schaad studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie an der University of Stirling in Schottland und promovierte in Neuerer Geschichte am St Antony’s College, Oxford. Seinen MBA absolvierte er an der Heriot-Watt University, Edinburgh. Er ist Autor der Monographien Bullying Bonn: Anglo-German Diplomacy on European Integration, 1955-61 (2000) und „Dann geh doch rüber“. Über die Mauer in den Osten (2009). Zuletzt erschienen ist: „Eine Rehabilitierungs-Maßnahme. Alfred Kurellas Kritik an Bertolt Brechts Lob der Parteidisziplin“ in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte (3, 2011).