Jeannette Lander
Am wenigsten verzeihen die Deutschen, dass man ihnen verzeiht
Fallstudie zu meinem Fall
Verständnis zeigen, nicht nachtragend sein, zu vergeben: eine scheinbar positive Handlungsweise, die aber negative Folgen haben kann. Wenn man verzeiht, impliziert man eine Schuld, die es zu verzeihen gilt. Einer, der Schuld verdrängt und kompensiert, meidet die, die ihm vergeben. Er verzeiht nicht, dass man ihm verzeiht und ihn somit an seine Schuld erinnert. Wenn schon, dann soll man ihn beschimpfen, bestrafen, konfrontieren.
Meinen Romanen liegt eine Verständnis zeigende Haltung zugrunde. Ich suche nach den Ursachen für die Erscheinungen. Ich will verstehen, warum die Dinge so sind. Meine Figuren suchen, wollen verstehen. Wie nimmt mein deutsches Lesepublikum es auf, wenn sie den Ursachen näher kommen und damit verzeihen. Ursachen, an die das Publikum – unterschwellig – lieber nicht erinnert werden will? Wie nimmt der deutsche Literaturbetrieb es auf?
In lockerer Reihenfolge werde ich Passagen aus meinen Roman vorlesen, die meine Arbeit charakterisieren, und zwischendurch die Geisteshaltung literarischer Rezeptoren hierzulande analysieren, wie sie abweicht von der jüdisch-amerikanischen meiner Herkunft. Es sind durchaus Momente dabei, deren selbstverursachte Komik mir erst sehr spät zu Bewusstsein gelangten. Mit der Distanz, die das Alter bringt. Insofern ist diese Lesung eine Art vorläufiges Resümee.
Im Rahmen des DAAD-Sommerseminars
Boundaries Crossing Boundaries. Jewish Identity and Jewish Writing in German after 1980