Lecture
Wednesday, Dec 17, 2025, 7:00 PM

Verena Kick

Assistant Professor of German, Georgetown University, Washington, D.C.

Montierte Wirklichkeiten. Politik und Fotografie bei Kurt Tucholsky

Gesprächsleitung: Franziska Bomski, Potsdam

Kurt Tucholsky reflektierte immer wieder über die politische und ästhetische Kraft der Fotografie. In Mehr Fotografien! (1912) forderte er ihre systematische Nutzung zur Aufdeckung sozialer Missstände; in Die Tendenzfotografie (1925) erhob er sie zur „maßlos gefährlichen Waffe“ politischer Aufklärung. In seinen Rezensionen für Die Weltbühne diskutierte er den dokumentarischen wie ästhetischen Wert von Fotografien in Buchpublikationen, vom kämpferischen Porträt bis zur misslungenen Bebilderung. Diese Überlegungen kulminierten in seiner Zusammenarbeit mit John Heartfield im Fotobuch Deutschland, Deutschland über alles (1929). Dort wurden Text und Bild zu einer „montierten Wirklichkeit“, die durch die Kombination von Layout, Fotografien und Tucholskys Essays politische und gesellschaftliche Missstände am Ende der Weimarer Republik kritisierte. Dieser Vortrag greift Tucholskys Überlegungen zur Fotografie auf, die bereits das politische Potenzial der Fotomontage antizipierten, um Deutschland, Deutschland über alles zu analysieren und den Begriff der Montage auf das Fotobuchmedium zu erweitern. Dabei spielen auch die Übersetzungen des Fotobuchs eine überraschend hilfreiche Rolle.

Verena Kick ist Assistant Professor of German an der Georgetown University in Washington, D.C. Ihr Buchprojekt Photobook Politics: Design and Ideology in Germany 1915–1945 untersucht, wie deutsche Fotobücher zwischen 1915 und 1945 materielle und gestalterische Elemente — wie Umschläge, Formate, Schriftarten und Bildunterschriften — nutzten, um politische Ideologien zu vermitteln. Sie hat zu unterschiedlichen Themen publiziert, u.a. zu Kurt Tucholskys und John Heartfields Deutschland, Deutschland über alles (1929), zu Franz Kafkas Zeichnungen, Annemarie Schwarzenbachs Fotografien, Werner Herzogs Konzept von Geschichte in Lektionen in Finsternis (1992) und Thomas Heises Darstellung deutscher Geschichte in Heimat ist ein Raum aus Zeit (2019).

Der Vortrag begleitet die aktuelle Ausstellung des Einstein Forums
 
Gegen die Normalisierung des Faschismus. Arbeiten von John Heartfield aus den 1930er Jahren (Dienstag, 9. Oktober 2025 – Dienstag, 10. Februar 2026)
 
sowie die Veranstaltung
 
Robert Stadlober singt und liest Tucholsky (Freitag, 23. Januar 2026, 20 Uhr, Nikolaisaal Potsdam)