Vortrag
Freitag, 15.12.2017, 15:15h

Thomas Hauschild

Professor für Ethnologie und vergleichende Kultursoziologie, Universität Halle-Wittenberg

Eine ethnologische Gespenstergeschichte mit neurobiologischem Ausklang

Ich wurde im Jahre 1979 mit einer Dissertation über die Furcht vor dem „Bösen Blick“ promoviert, These: Die Furcht vor dem Blicke und dem Glauben der Anderen an den Bösen Blick grassiert gleichermaßen bei abergläubischen Menschen wie bei Wissenschaftler und Aufklärern. Seitdem gab es kaum eine Vortragssituation, in der ich nicht gefragt/gehypt/getadelt worden bin, ob/weil sich mystische/pathologische/wissenschaftlich-unkorrekte Haltungen hinter meinen wissenschaftlich-ethnologischen Aussagen verbergen würden.
In letzter Zeit beobachte ich, dass ich häufig eher für meine „Offenheit“ gegenüber indigenen Irrationalismen gelobt und dann wissenschaftshistorisch als Zeitzeuge für die Hippie-Anthropologien von Hubert Fichte, Hans Peter Duerr, Carlos Castaneda u.a. in Dienst genommen werde. Nach Jahrzehnten der Grenzgängerei sehe ich mich genau in diesem Moment natürlich eher der rationalen und analytischen Seite verpflichtet. Ich werde darum bei der Schilderung meiner süditalienischen Gespenstererfahrungen vor allem neuropsychologische Ansätze ins Spiel bringen. Sie führen zu mindestens ebenso spannenden Diskussionen wie die gängige agonale Phrasendreschmaschine von Neoanimismus und Wissenschaftsgeschichte, diskursanalytischem Funktionalismus und Indigenismus.

Thomas Hauschild, geboren 1955 in Berlin, Protagonist des „Ethnoboom“ der 1970er Jahre und Hochschullehrer der Kultur- und Sozialanthropologie/Ethnologie an zahlreichen Universitäten im In- und Ausland, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Veröffentlichungen, u.a. Der Böse Blick, Hexen.