Vortrag
Freitag, 8.2.2008, 15:30h

Micha Brumlik

Professor für Erziehungswissenschaften, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt/Main

„Die letzte Illusion“. Sigmund Freud als Antikommunist

Gesprächsleitung: Dr. Rüdiger Zill, Potsdam

Sigmund Freud hat sich mit dem Glauben intensiv und kritisch in seiner Schrift Zukunft einer Illusion auseinandergesetzt. Durch die freudo-marxistische Rezeption, die von Adorno, Horkheimer und Fromm bis zu Herbert Marcuse reicht, ist freilich übersehen worden, dass Freud gleichermaßen als skeptischer Bürger auch noch die allerletzte, die politische Illusion des Kommunismus verworfen hat – mit Argumenten, die jedenfalls teilweise dem Arsenal seiner Religionskritik entnommen sind. Unter dieser Perspektive wird das „Unbehagen in der Kultur“ einer neuen Lektüre unterzogen: Hier erweist sich Freud als ein eminent politischer Denker und es bleibt zu fragen, inwieweit die dort entfalteten hobbesianischen Argumente Freuds Grundüberzeugungen entsprechen oder ob sie nicht vielleicht eine Reaktion auf das Verbot der Psychoanalyse in der Sowjetunion zurückzuführen sind.

Micha Brumlik, geboren 1947 in Davos; lebt heute in Frankfurt am Main. Nach seinem Studium der Pädagogik und Philosophie war er wissenschaftlicher Assistent der Pädagogik in Göttingen und Mainz, danach Assistenzprofessor in Hamburg. Von 1981 bis 2000 lehrte er Erziehungswissenschaft an der Universität Heidelberg. Seit 2000 ist er Professor am Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt a.M. mit dem Schwerpunkt „Theorie der Erziehung und Bildung“. Daneben leitete er von Oktober 2000 bis 2005 als Direktor das Fritz Bauer Institut, Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, in Frankfurt am Main. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Pädagogik, Ethik, Theorie und Empirie moralischer Sozialisation sowie Religionsphilosophie. Wichtigste Veröffentlichungen aus den letzten Jahren: Die Gnostiker (1992); Schrift, Wort, Ikone. Wege aus dem Bilderverbot (1994); Kein Weg als Deutscher und Jude. Eine bundesrepublikanische Erfahrung (1996); Vernunft und Offenbarung. Religionsphilosophische Versuche (2000); Deutscher Geist und Judenhaß. Das Verhältnis des philosophischen Idealismus zum Judentum (2000); Bildung und Glück. Versuch einer Theorie der Tugenden (2002); Aus Katastrophen lernen. Grundlagen zeitgeschichtlicher Bildung in menschenrechtlicher Absicht (2004); Sigmund Freud. Der Denker des 20. Jahrhunderts (2006); Kritik des Zionismus (2007); Vom Missbrauch der Disziplin. Antworten der Wissenschaft auf Bernhard Bueb (2007).