Vortrag
Mittwoch, 29.6.2016, 17:30h

Ulrich Schmid

Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands, Universität St. Gallen

Porträt des Staatsphilosophen als junger Mann: Carl Schmitt und Alexandre Kojève

Nach dem 1. Weltkrieg wurden Carl Schmitt und Alexandre Kojève auf traumatische Weise mit dem Zusammenbruch ihres Heimatstaats konfrontiert. Diese Erfahrung übte einen tiefen Einfluss auf das Denken der beiden Philosophen aus: Carl Schmitts Theorien kreisen um die Sicherung des bedrohten Staates, Alexandre Kojève ist überzeugt, dass die Staatlichkeit als solche an ein Ende gekommen ist und der reinen Verwaltung Platz gemacht hat. Sowohl Schmitt als auch Kojève denken über den Platz des Individuums in der Geschichte nach. In den 1920er Jahren führen beide Tagebücher, in denen sich ihre späteren Konzeptionen ankündigen. Getroffen haben sie sich nur einmal und viel später – im Januar 1957, als Schmitt für Kojève einen Vortrag in Düsseldorf organisierte.

Ulrich Schmid, geb. 1965, ist Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen. Er studierte Slawistik, Germanistik und Politologie an den Universitäten Zürich, Heidelberg und Leningrad und war von 1992 bis 2000 wissenschaftlicher Assistent und bis 2003 Assistenzprofessor für slawische Literaturwissenschaft an der Universität Basel, wo er 1999 habilitierte. Von 2003 bis 2005 war er SNF-Förderprofessor am Institut für slawische Sprachen und Literaturen der Universität Bern und nahm daneben Lehraufträge an verschiedenen Universitäten wahr. Seine Spezialgebiete umfassen u. a. die russische, ukrainische und polnische Literatur, Philosophie und Kultur sowie Literatur- und Medientheorie, Autobiographik und Internetliteratur. Er ist Mitherausgeber der von ihm begründeten Reihe Basler Studien zur Kulturgeschichte Osteuropas (BSKO) im Zürcher Pano-Verlag. Darüber hinaus ist er als Übersetzer und Herausgeber thematischer Anthologien (Religionsphilosophie, Medientheorie usw.) hervorgetreten und ist seit Jahren regelmässiger Beiträger des NZZ-Feuilletons. Neuere Publikationen: Technologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartliteratur (2015); Der Einfall des Lebens. Theorie als geheime Autobiographie (mit Vincent Kaufmann und Dieter Thomä, 2015); Das öffentliche Ich. Selbstdarstellungen im literarischen und medialen Kontext (Mit-Hrsg. 2014); Schwert, Kreuz und Adler. Die Ästhetik des nationalistischen Diskurses in Polen (1926–1939) (2014); Lew Tolstoi (2010); Literaturtheorien des 20. Jahrhunderts (2010).