Lecture
Friday, Apr 24, 2009, 5 PM
Filmhaus am Potsdamer Platz, Potsdamer Str. 2, 10785 Berlin

Barbara Sichtermann

Schriftstellerin und freie Autorin, Berlin

Humor markiert Milieus. Die inkorporierende Funktion des Gelächters im Fernsehen

»Was, darüber kannst du lachen??« – ein Witz, eine Pointe im Fernsehen können Freundschaften oder gar Ehen bedrohen, denn Humor ist immer milieuspezifisch und verbindet Menschen genauso wie er sie auch trennen kann. »Sage mir, worüber du lachst, und ich sage dir, wer du bist.« Unsere großen TV-Humoristen – Harald Schmidt, Olli Dittrich, Helge Schneider, Mario Barth, Atze Schröder – sie alle stiften Gemeinden, die sich über das Gelächter zusammenfinden und von jeweils sehr unterschiedlichem Charakter sind. Kleine Quoten und subtile Qualitäten finden sich neben Stammtischen mit tausenden (und im Fernsehen vielen Millionen) von Mitgliedern. Übers Lachen vermittelte Milieus erleben das vergnügte Gemeinschaftsgefühl in großen Hallen, vor kleinen Bühnen und vor den Fernsehern, von wo aus sie es im Internet weitergeben können. Und schließlich: Der Gegensatz von Kabarett und Comedy hat seine historischen Gründe, ist aber bereichsweise nur Schein.

Barbara Sichtermann, geboren 1943 in Erfurt, schloss 1965 ihre Ausbildung an der Westfälischen Schauspielschule (Bochum) ab. Daraufhin spielte sie zunächst drei Jahre an den Bochumer und Dortmunder Bühnen, bevor sie 1968 nach Berlin ging, um dort an der Freien Universität Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre zu studieren. 1976 machte sie dort ihr Diplom in Volkswirtschaft. Seit 1982 lebt sie als freie Schriftstellerin in Berlin. 1983 erhielt sie den Elisabeth-Selbert-Preis für Rundfunkarbeit und 1987 den Jean-Amery-Preis für Essayistik. Vierzehn Jahre lang schrieb sie eine Kolumne zur Fernsehkritik in der Zeit und erhielt einen Platz in der Jury des Adolf-Grimme-Preises. Ausgewählte Veröffentlichungen: Leben mit einem Neugeborenen (1981); Vorsicht Kind (1982); Weiblichkeit. Zur Politik des Privaten (1983); Fernsehen (1994); Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs (2006 mit Ingo Rose); Wer war Sophie Scholl? (2008); Kurze Geschichte der Frauenemanzipation (2009) und die Romane Vicky Victory (1995) und Fremde in der Nacht (1998).