Lecture
Wednesday, Nov 1, 2017, 6 PM
Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im Kutschstall, Am Neuen Markt 9, 14467 Potsdam

Tamás Miklós

Professor für Geschichte der Philosophie, Eötvös Loránd Universität, Budapest

Geschichte als Vernunftskunstwerk. Schiller über den Sinn in der Geschichte

Gesprächsleitung: Dr. Matthias Kroß, Potsdam

Es geht um die Geschichtsauffassung Friedrich Schillers (1759–1805), um seinen angeblichen Geschichtsoptimismus. In meiner Lesart hat Schiller nicht nur nach dem Jakobinerterror, sondern bereits in der Zeit seiner Jenaer Antrittsvorlesung, im Mai 1789, und in der Entstehungszeit des Gedichts Die Künstler keinen Sinn in der Geschichte gefunden – er sah vielmehr in ihrer Sinngebung die Aufgabe des Künstlers, des Denkers. Selbst in Werken, die man gewöhnlich vielleicht anders liest, wie in der Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung (1788) und der Universalhistorischen Übersicht der Vornehmsten an den Kreuzzügen teilnehmenden Nationen (1789), scheint mir Schiller die Ansicht zu vertreten, dass Geschichte nur als eine Art Vernunftskunstwerk zu ertragen ist. Auch wenn er z.B. den Freiheitskampf der Niederlande als einen Siegeszug der Reformation und des bürgerlichen Bewusstseins gegen die Despotie betrachten wollte, musste er rasch einsehen, dass die konkreten Fakten ein zu kompliziertes Bild für eine solche Vereinfachung bieten.

Tamás Miklós lehrt Philosophiegeschichte an der Eötvös Loránd Universität Budapest, führt seit 1990 den Atlantisz Wissenschaftsverlag und arbeitet als Autor und Übersetzer. 2013–2014 war er Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin; im Sommer 2016 lehrte er Geschichtsphilosophie an der Freien Universität Berlin. 1981 gründete er Bärentanz (Medvetánc), die erste zensurfreie sozialwissenschaftliche Zeitschrift Ungarns seit 1956, die bis 1990 ein Forum für gesellschaftliche Reformgedanken war. Auf deutsch erschien von ihm: Der kalte Dämon. Versuche zur Domestizierung des Wissens (2016).

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte